SXSW: Fintech im Kontext des digitalen Lebens

Was will man als Fintecki jenseits des persönlichen Interesses auf der South by Southwest (SXSW), der intellektuellsten aller globalen digitalen Großveranstaltungen? Die Antwort gibt schon ganz grob das Motto dieser Konferenz an der digitalen Schnittstelle von Business, Gesellschaft und Kultur: Discover what comes next.

Fintech im engeren Sinne findet zwar auch auf der SXSW statt, es gehört aber nicht zu den großen Trends, die in Austin verhandelt werden. Ganze sechs von über 700 Veranstaltungen tragen den Begriff Fintech im Titel; allerdings gehört dazu auch ein Track des viel beachteten Accelerator Startup Pitch Events. In diesem Wettbewerb präsentieren fünf junge Fintech-Unternehmen um die Wette, um die Jury zu einem positiven Votum und die zahlreichen Investoren im Publikum zu einem finanziellen Engagement zu bewegen.

Trotzdem, oder auch gerade weil Fintech nicht die größte Rolle spielt, lohnt sich der Besuch der SXSW als Ausbruch aus der täglich allgegenwärtigen Branchen-Blase: Nirgendwo sonst wird, weitgehend losgelöst von Produkten, so breit und intensiv über das digitale Leben diskutiert wie hier. Vor allem in der ersten Konferenz-Woche, die hauptsächlich dem Interactive-Teil gewidmet ist, treffen sich digitale Denker, Lenker und Kreative, um die elektronisierten Weltläufe zu erörtern. Hier geht es z. B. nicht darum, welches Gerät welche KI mit welcher Voice-Schnittstelle implementiert hat, sondern darum, wie die KI-assistierte Welt in der nahen und fernen Zukunft aussieht – und wie es sich darin leben und arbeiten lässt, um ein konkretes Beispiel zu nennen.

Deshalb lässt sich auch ohne dezidierte Fintech-Sessions auf der SXSW bestens eruieren, in welchen digitalen Kontexten Banking, Payment, Anlegen und Sparen künftig eine Rolle spielen und mit welchen potenziellen Partnern sich die eröffnenden Chancen nutzen lassen; ob es um Maschinen geht, die sich gegenseitig zahlen, KI-automatisierte Kaufprozesse mit integrierter Bezahlung oder selbstlernende Anlage-Prozesse.

Ein Schwerpunkt auf der SXSW führt zwar Fintech nicht im Namen, hat aber viele Berührungspunkte zu Finanzprozessen. „The Blockchain Rises“ ist einer der zwölf Programming-Trends in Austin. Rund 40 Sessions widmen sich der dezentralen Transaktionstechnologie auf der Kryptowährungen wie Bitcoin genauso basieren wie intelligente Verträge (Smart Contracts), die ihre Einhaltung selbst überwachen.

Das Spektrum der SXSW reicht von finanznahen Sessions wie „ICOs: Venture Financing From an Invisible Crowd“ über „Bitcoin and the New World of Programmable Money“ bis zu ferneren Use Cases wie „Transforming Global Food Supply with Blockchain“ (wobei auch in diesen Versorgungsketten Finanzfunktionen eingebettet werden müssen, was im Kern des Begriffs Kontext-Banking steckt).

Um einen Eindruck über das Fintech-Spektrum auf der SXSW zu bekommen, hier ein Blick auf meine Short-List von Veranstaltungen, die sich im engeren und weiteren Sinne mit Finanzen beschäftigen (Hinzu kommen noch Sessions, die sich mit KI und Startups im Allgemeinen befassen, sowie die großen „Konvergenzthemen“, für die die SXSW auch steht).

Die überbordende Session-Vielfalt der SXSW ist Chance und Herausforderung zugleich, da zu jeder Zeit dutzende Veranstaltungen parallel laufen – über ganz Austin Downtown verteilt. Schon jetzt ist klar, dass sich diese Agenda nur sehr unvollständig „abarbeiten“ lässt; weil einen andere Verpflichtungen und Termine aufhalten, Sessions zur gleichen Zeit stattfinden oder schlicht voll sind. Meine persönlich schwerste Abwägungsentscheidung ist jetzt schon klar: Am Konferenz-Samstag läuft der Fintech-Accelarator-Pitch zeitgleich mit dem Auftritt von Harvard-Forscherstar Steven Pinker, der über die evidenzbasierte These der immer besser werdenden Welt referiert, die Thema seines jüngsten Buches „Enlightenment Now“ ist.

Banken und andere Nichtdigitale Unternehmen auf der SXSW

Generell sind Banken, im Gegensatz zu anderen Branchen jenseits der üblichen digitalen Verdächtigen, eher spärlich in Austin vertreten. Unter den aktuell 680 in der SXSW-App gemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Deutschland (übrigens nach den USA das Land mit den meisten Angemeldeten) sind, außer dem Autor von der Sutor Bank, nur noch Vertreter der Ing-Diba, der Sparkassen-Organisation und des Verbands Öffentlicher Banken (VÖB) gelistet. Andere Branchen wie Automobil (hier allen voran SXSW-Mitsponsor Mercedes-Benz, aber auch Audi, VW oder Porsche), Energie und Industrie (Innogy, Bayer, Merck, Vaillant), Verkehr (Deutsche Bahn, Lufthansa) und sogar die Bundeswehr reisen zum Teil in Kompanie-Stärke an. Dabei gehört zu den weiteren Hauptsponsoren mit Capital One auch eine US-Bank. Immerhin: Deutsche Bank-Chef John Cryan kommt auch nach Austin. Er lässt sich im Begleitprogramm von Jochen Wegner, Chefredakteur von ZEIT ONLINE, zu den digitalen Herausforderungen interviewen.

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