Kryptos als Krisenwährungen – der Twitter-Moment

2009 im Iran und 2011 während des arabischen Frühlings wurde mit Twitter erstmals die Macht der sozialen Netzwerke deutlich. Mit ihnen ließen sich Massen bewegen und koordinieren. Zurzeit lässt sich im Ukraine-Krieg dieser Twitter-Moment für Kryptowährungen beobachten Wie unter einem Brennglas werden die Möglichkeiten und Grenzen, und damit die janusköpfigen Chancen und Risiken von Kryptowährungen, klar.

Dabei geht es um zwei zusammenhängende, aber deutlich unterschiedliche Sachverhalte: zum einen um die dezentrale und deshalb krisenfeste Hochgeschwindigkeits-Infrastruktur für Geld- und Werttransfers, zum anderen um die Funktion von Kryptowährungen als alternativer Wertspeicher zu Landeswährungen.

Blockchain als krisenresiliente Zahlungsinfrastruktur

Die dezentrale Blockchaininfrastruktur hat es der ukrainischen Regierung ermöglicht, den Krieg zum Teil mit einer Crowdfunding-Aktion durch Kryptowährungen zu finanzieren. Knapp 100 Millionen Euro in Kryptowährungen konnte die Ukraine durch einen Spendenaufruf inklusive Wallet-Adressen für verschiedene Coins und Token von Bitcoin bis Dogecoin einsammeln. Hier zeigt sich die Schnelligkeit von Kryptowährungen, die ohne Umwege über Banken jederzeit direkt zwischen den Beteiligten hin- und hergesendet werden können – und dies über wegen ihrer Dezentralität quasi unzerstörbare Wege – nur Strom und Internetverbindung sind notwendig. Hätte diese Aktion über traditionelle Bankennetze abgewickelt werden müssen, würde die Ukraine wahrscheinlich heute noch nicht über signifikante Spendengelder verfügen.

Über die Blockchaininfrastruktur lassen sich auch dann noch Kryptowerte transferieren, wenn es schon keine Bankeninfrastruktur mehr gibt. Wer rechtzeitig Geld in Kryptowerten geparkt hat – leider sind dies wahrscheinlich eher wenige ukrainische Bürgerinnen und Bürger –, kann dann zum Beispiel auf der Flucht darauf zurückgreifen. Einlagen, die bei einer ukrainischen Regionalbank liegen, sind im Zweifelsfalle schwieriger zu nutzen.

Kryptowährungen als Safe Harbour bei Großkrisen

Für andere Krisenkontexte steht eher die Wertaufbewahrungs- als die Werttransferfunktion im Mittelpunkt: Russische Bürger haben auf Binance, der weltweit größten Kryptobörse, in den ersten Krisentagen zehnmal mehr Kryptowährungen pro Tag gekauft als zuvor. Nicht um Sanktionen zu umgehen, sondern um ihre Ersparnisse vor der Inflation zu schützen oder auch um zum Beispiel eine eigene Emigration vorzubereiten. Wie schon in anderen Fällen weltweit zeigt sich hier, dass Kryptowährungen durchaus als Alternative zu Währungen taugen, wenn es zu fundamentalen Verwerfungen in der (geld-) politischen Entwicklung kommt. Dezentrale Blockchains schaffen über Stablecoins den Zugang zu stabileren Währungen oder direkt zu Kryptowährungen, deren Volatilität im Kontext von Geldkrisen weniger ins Gewicht fällt-  Als sicherer Hafen bei weniger disruptiven Krisenverläufen wie normalen Kapitalmarkteinbrüchen, haben sich Kryptowährungen dagegen eher nicht bewährt.

Zur Umgehung von Sanktionen sind Kryptowährungen weniger geeignet 

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