Die ausgefallene Fintech-Revolution kommt jetzt – Der Weg in die dezentral-zentrale Finanzwelt

Die zahlreichen Fintech-Analysen zum Jahrzehntswechsel lassen sich auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Fintech hat die Finanzbranche verändert, aber die Revolution ist zu Gunsten einer Evolution ausgefallen. Es sind tatsächlich große Fintechs entstanden, die sich aus den Ertragspools der Banken bedienen. Abgelöst wurden die existierenden Banken von den Technologie-getriebenen Startups aber letztendlich nicht. Banken, die sich rechtzeitig digital aufgestellt haben, wie etwa die ING in den Niederlanden, BBVA in Spanien oder JP Morgan in den USA, stehen eher besser als schlechter da als in der Vor-Fintech-Ära.

Fintech-Evolution technisch wenig innovativ

Die Fintech-Evolution war bisher eher durch Prozess- und Geschäftsmodell-Innovationen auf Basis bestehender Digitaltechniken als durch technologische Innovationen getrieben. Natürlich hat die Digitalisierung auch die Basisinfrastruktur verändert. Aber im Wesentlichen arbeiten Banken bis heute mit den gleichen Core-Banking- und Wertpapiermanagement-Systemen, die über Zahlungsverkehrs-, Clearing- und Settlement-Netzwerke miteinander verbunden sind. Fintechs haben diese Basisinfrastruktur mit neuen, mobilen Frontends versehen, die an die Bankensysteme angeflanscht wurden. Fintechs und Banken gingen dafür in der Regel Kooperationen ein. Die Konten und Wertpapierdepots blieben in diesen Kooperationen bei den klassischen Banken, die sich auch weiterhin um die Transaktionen kümmerten. Nur wenige Fintechs entwickelten eigene Backend- und Frontend-Systeme und erwarben für ihren Betrieb eigene Banklizenzen. Deren Core-Banking-Systeme entsprechen zwar dem aktuellsten Stand der Technik, aber im Grunde funktionieren sie wie die Core-Banking-Systeme bisher auch funktionierten.

Die digitalisierten Prozesse erlaubten neue Geschäftsmodelle wie Plattform- oder Kontext-Banking, die eher von schnellen Fintechs oder den großen Technologieunternehmen umgesetzt wurden als von Banken. Diese Geschäftsmodelle wiesen Banken zum Teil neue Rollen zu und machten sie zu technischen, regulierten Infrastrukturanbietern. Einige Banken wurden in diese neuen Formen des Bankings hineingegründet, andere sahen diesen Trend und entwickelten sich dorthin.

Blockchain verändert technologischen Banken-Kern

Die Blockchain – hier synonym für alle dezentrale Kryptotechnologien genutzt – revolutioniert jetzt aber tatsächlich den technologischen Kern der Finanzindustrie: Sie verändert grundlegend die Art und Weise, wie (monetäre) Werte erzeugt, verarbeitet und verteilt werden; vielleicht ähnlich stark wie die Elektrizität die Erzeugung, Verteilung und Verarbeitung von Energie und die „erste“ Digitalisierung die Erzeugung, Verteilung und Verarbeitung von Informationen – die Blockchain lässt sich auch als „zweite“ Digitalisierung beschreiben, die für Werte nachholt, was sie für Informationen bereits ermöglicht hat.

Aus technischer Sicht macht die Blockchain in vielen Bereichen Banken überflüssig. Deren Aufgabe, Gelder zu verwahren, zu versenden, den Zahlungsverkehr abzuwickeln und insgesamt als neutrale, vertrauenswürde Partei zu wirken, deren Konten- und Depotbuchhaltung von allen anerkannt wird, kann prinzipiell eine Blockchain vollständig mit dezentraler Kontoführung und maschinellen Konsensverfahren übernehmen. Die technischen Systeme, mit denen Banken diese Aufgaben bislang ausführen, werden komplett überflüssig. Ähnliches lässt sich für den Kapitalmarktbereich prognostizieren, der heute von aufwendigen und ineffizienten Abstimmungsprozessen zwischen den Beteiligten und deren Systemen bestimmt wird. Eine Blockchain-Infrastruktur, von der alle Beteiligten annehmen, dass sie aktuelle Besitzverhältnisse von Wertpapieren konstatiert, macht auch hier die aktuellen Systeme, Prozesse und nicht alle, aber einige Beteiligte überflüssig.

Heißt dies nun, dass Banken überflüssig werden und die Kryptotechs revolutionär die Finanzmacht übernehmen, so wie es die Fintechs einst wollten?

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