Die vier Kryptofragen für Banken 2021: Kryptowerte als Anlageklasse; elektronische Wertpapiere, digitales Geld, DeFi

2020 hat sich die Kryptowelt auf verschiedenen Ebenen rasant entfaltet. Für Banken geht es nun nicht mehr darum, ob sie sich mit diesen Entwicklungen auseinander setzen wollen – sondern wie sie dies tun. Denn wer sich der Veränderungskraft von Blockchain-basierender Technologie und den damit verbundenen Geschäftsmodellen nicht stellt, könnte schon bald den Anschluss verlieren.

Der Status Quo nun, Anfang des Jahres 2021, zeigt, wie weitreichend die Veränderungen zum Teil bereits sind – gerade im Bereich der regulatorischen Rahmenbedingungen:

  • Kryptowerte sind als Finanzinstrumente im KWG definiert, ebenso wie die neue, erlaubnispflichtige Finanzdienstleistung Kryptoverwahrung.
  • Das Gesetz über elektronische Wertpapiere auf Blockchain-Basis ist auf dem Weg.
  • Die EU hat die europaweite Regulierung für Kryptowerte auf den Weg gebracht (Markets in Crypto-Assets), quasi als Pendant zur Mifid.
  • Der europäische Regulierungsentwurf ist Teil eines ganzen Digital Finance Packages, das auch auf Themen wie den programmierbaren Euro, digitale Zentralbankwährungen und Stablecoins eingeht.
  • Das Facebook-Konzept eines Stablecoins, von Libra in Diem umgetauft, steht vor dem Start.

Nicht zuletzt hat auch die rasante Preissteigerung des Bitcoins die Diskussion um die Bedeutung von Kryptowerten angefacht.

Im Grunde geht es um vier Fragekomplexe, die 2021 Einfluss auf die Strategie und die F&E-Abteilungen von Banken haben werden:

  • Etablieren sich native Kryptowerte wie Bitcoin als neue Anlageklasse und wie reagiert man als Bank darauf?
  • Lösen elektronische Wertpapiere mit allen ihren prozessualen und infrastrukturellen Konsequenzen die aktuellen Wertpapiere ab, und mit welcher Geschwindigkeit findet der Wandel statt?
  • Wird die Blockchain zur technischen Infrastruktur für Währungen und/oder den Zahlungsverkehr – also für Nicht-Banken-Stablecoins, digitale Zentralbankwährungen und/oder digitales Geschäftsbankgeld? Und wenn ja, welche digital-dezentrale Währungsvariante wird sich durchsetzen, welche werden koexistieren?
  • Welche weiteren dezentralen Finance-Modelle jenseits des Mainstreams werden sichtbar?

Kryptowerte – auf dem Weg zur neuen Anlageklasse

Nicht erst seit der rasanten Preisentwicklung des Bitcoin stellt sich die Frage, ob Kryptowährungen eine neue Anlageklasse bilden. Kryptowährungen sind eine Spezialform und die ursprüngliche Form von Kryptowerten. Sie sind die nativen Kryptowerte einer Blockchain, die einen eigenen Wert entwickeln und keine Werte außerhalb ihrer selbst repräsentieren – wie etwa Token, die an den Wert einer Fiat-Währung oder an Vermögenswerte gebunden sind oder Token, die eine Fiat-Währung oder Vermögenswerte auf der Blockchain repräsentieren.

Interessant ist, dass man inzwischen eher über Kryptowährungen als Anlageklasse denn als alternatives, bankenunabhängiges Zahlungsmittel diskutiert – letzteres war schließlich der Zweck, zu dem sie einst geschaffen wurden und von deren Funktion sich eigentlich ihr Wert herleitet. Bisher haben sich jedoch weder der Bitcoin noch andere Kryptowährungen als Zahlungsmittel durchgesetzt. Der Grund: Transaktionen sind zu langsam, zu teuer und nicht massentauglich, zudem ist der Wert der Kryptowährungen zu volatil.

Woher leitet sich also der steigende Wert des Bitcoin her, und was macht ihn zur potenziellen Anlageklasse beziehungsweise zum Spekulationsobjekt? Für den aktuellen Höhenflug gibt es mehrere Erklärungen: Zum einen erlaubt der reichweitenstarke Anbieter Paypal seinen Kunden, Bitcoin zu kaufen und mit Bitcoin zu bezahlen – was die Hoffnung nährt, dass es doch noch zum Zahlungsmittel werden könnte. Zudem haben institutionelle Anleger angesichts des fortdauernden Anlagenotstands den Bitcoin als alternatives Anlageobjekt entdeckt, das zudem nur wenig mit anderen Anlageklassen korreliert und sich somit sehr gut als Diversifikationsanlage eignet. Erleichternd für institutionelle Investoren wirkt die inzwischen zuverlässige Infrastruktur (Verwahrung, Handel), eine Regulierung in wichtigen Jurisdiktionen (Rechtssicherheit) und ein mittlerweile entstandenes breites Ökosystem. Nicht zuletzt ist es aber auch das „Bitcoin-Narrativ“ vom digitalen Gold, dessen Produktion immer knapper wird und nicht unendlich ist.

Die entscheidende Frage ist und bleibt, ob die Wertentwicklung eine spekulative Entwicklung ist oder letztendlich auf einer Substanz basiert, ob es Zahlungsmittel oder anerkanntes Wertaufbewahrungsmedium ist, das seinen Wert aus dem technologischen Design herauszieht.

Welche Kryptowährungen außer Bitcoin könnten langfristig Wert entwickeln? Im Prinzip alle die, deren Blockchain eine wertstiftende Funktion hat und deren Funktion durch die native Kryptowährung in Gang gehalten wird, was zum Beispiel für Etherum und seine Fähigkeit, Smart Contracts zu hosten und auszuführen, gilt.

Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass sich Kryptowährungen in den nächsten Jahren als Assetklasse weiter etablieren werden. Dabei könnten einige weitere neue Währungen auf den Plan treten. Die Bedeutung eines fundierten Auswahlprozesses, welche Währungen die Voraussetzungen als Investmentvehikel erfüllen, wird steigen. Auch für Privatanleger dürften die Einstiegsschwellen niedriger werden, etwa durch die Möglichkeit, indexbasiert in Kryptowährungen zu investieren.

Für Banken stellt sich die Frage, inwieweit sie sich dem Handel mit und/oder der Verwahrung von Kryptowerten sukzessive öffnen können,  und wie das Geschäft mit Kryptowährungen zu einem lohnenden Geschäftsfeld werden könnte.

Elektronische Wertpapiere – mehr als alter Wein in neuen digitalen Schläuchen

Beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren handelt es sich grundsätzlich um sehr komplexe Vorgänge: erforderlich sind eine Reihe von Parteien und Gegenparteien, zwischen denen Geld hin und her fließt, bis ein Wertpapierkäufer ein gekauftes Wertpapier nach einigen Tagen in seinem Depot hat. Es wird viel Aufwand betrieben, um den Eigentumsübergang des Wertpapieres mit dem Fluss des Geldes zu koordinieren und dabei Gegenparteirisiken auszuschließen. Bislang werden Wertpapiere durch eine Urkunde repräsentiert, die bei einem Zentralverwahrer hinterlegt ist.

Demgegenüber wird bei elektronischen Wertpapieren die urkundliche Verkörperung in ein Register überführt und Rechte an einen  Token auf einer Blockchain gebunden. Elektronische Wertpapiere und Geldflüsse können dann direkt über Blockchain-Prozesse (Smart Contracts) ohne Gegenparteirisiken ausgetauscht und je nach Ausgestaltung bezahlt werden. Dies senkt Kosten und beschleunigt Prozesse, und ist damit ein deutlicher Effizienzsprung gegenüber dem Wertpapierhandel, wie wir ihn kennen.

Elektronische Wertpapiere sind jedoch mehr als alter Wein in neuen digitalen Schläuchen. Denn die Infrastruktur ist nicht nur effizienter, sie macht auch qualitativ neue Arten von Wertpapieren möglich. Ein Wertpapier könnte etwa den Ertrag einer Maschine verbriefen und die Auszahlung dieses Betrages direkt an den Output der Maschine koppeln

Für Banken ist die Frage nach den Konsequenzen elektronischer Wertpapiere noch wichtiger als die Krytowährungsfrage. Finanzdienstleister, die heute im Wertpapierhandel unterwegs sind, müssen sich auf eine neue Infrastruktur und damit auf mögliche neue Geschäftsprozesse vorbereiten.

Blockchain-basierende Zahlungssysteme – von freiwillig bis vorgeschrieben

2019 schreckte Facebook Staaten, Zentral- und Geschäftsbanken auf: Gemeinsam mit Partnern sollte eine eigene Kryptowährung herausgegeben werden, die fest an einen Währungskorb gebunden ist. Dies löste weitreichende Entwicklungen aus: Staaten, Zentralbanken und Geschäftsbanken denken inzwischen intensiv über verschiedene Formen digitalen und programmierbaren Geldes nach, wie diese Formen realisiert werden können, welche Auswirkungen sie auf Geldkreisläufe und Volkswirtschaften haben, und wie die aufsichtsrechtliche Regulierung von digitalem Geld, vor allem auch von privaten Stablecoins, aussehen sollte.

Die Charakteristika digitalen Geldes sind je nach Form sehr unterschiedlich:

  • Kryptowährungen sind sehr volatil und schwanken auch relativ zu staatlichen Währungen stark, zudem sind sie als Zahlungsmittel nicht anerkannt – beispielsweise können mit ihnen keine Steuern gezahlt werden.
  • Stablecoins, die an reale Währungen gekoppelt sind – so wie sie Facebook herausgeben wollte – können zu einer Konkurrenz zu staatlichen Währungen werden. Staaten und Zentralbanken wollen dies entweder komplett verhindern oder stark regulieren, damit Verbraucher geschützt, Vorschriften zur Verhinderung von Geldwäsche und Straftatenfinanzierung eingehalten werden und die finanzielle Stabilität von Staaten gesichert bleibt.
  • Bei digitalem Geschäftsbankgeld handelt es sich um Stablecoins, die durch Banken herausgegeben werden. Im Prinzip ist dies nur eine andere technische Form des heute bekannten Geschäftsbankgeldes, das aber programmierbar ist. Manko: Wenn jede Bank ihr eigenes Geschäftsbankgeld herausgibt, gibt es Schwierigkeiten, wenn Gelder zwischen Banken hin und her fließen sollen. Die volle Wirkung kann es nur entfalten, wenn Banken kooperieren und digitales Geld gemeinsam entwickeln.
  • Digitales Zentralbankgeld stellt das digitale Äquivalent für Bargeld dar, das Verbrauchern zur Verfügung gestellt wird. Dabei gibt es jedoch noch einige Probleme zu lösen, beispielsweise: Wie steht es um die Konkurrenz zum Geschäftsbankgeld, inwieweit soll bei Zahlungsabwicklungen Anonymität gewährleistet werden, soll das Zentralbankgeld auf dezentralen Technologien basieren oder nicht.

Sowohl digitales Geschäftsbankgeld als auch digitales Zentralbankgeld haben das Potenzial, Zahlungsprozesse enorm zu beschleunigen und Echtzeitzahlungen technisch flächendeckend über dezentrale Technologien einfach zu ermöglichen. Das Gegenparteienrisiko verschwindet damit in allen Wertaustauschprozessen.

Im Bereich digitales Geld stecken für Banken verschiedene strategische Entscheidungen: Auf  der einen Seite bietet sich mithilfe von digitalem Geschäftsbankgeld die Möglichkeit, die Zahlungsprozesse für Kunden zu optimieren. Auf der anderen Seite könnten Player wie die großen Technologie-Unternehmen mit ihren Milliarden von Nutzern eigene Stablecoins herausgeben, die digitale Geschäftsbankgeldformen überflüssig machen können. Erhebliche technische Investitionen wären wiederum zwingend notwendig, wenn Banken Digitalgeldentwicklungen von Zentralbanken und/oder Staaten Folge leisten müssen.

Dezentrale Finanzgeschäftsmodelle (DeFi)

Ähnlich wie die Kryptowährungen zunächst unter dem Radar von Banken und Regulierern entwickelt und gewachsen sind, gibt es heute weitergehende Blockchain-basierende Finanzprozesse, die unter dem Schlagwort „Defi“ firmieren. Die meisten Defi-Anwendungen arbeiten heute im Kredit-Bereich: Über Smart Contracts können Sicherheiten (Collaterals) geblockt werden, gegen die Kryptotoken, zum Teil als Stablecoins mit fester Bindung an Fiat-Währungen, ausgeliehen werden („MakerDao“). Eine neuere Entwicklung sind dezentrale Kryptobörsen, an denen ohne zentrale Stelle Kryptowährungen gegeneinander getauscht werden können („Uniswap“).

Diese Entwicklungen müssen Banken im Auge behalten und ähnlich wie bei Kryptowährungen darüber nachdenken, inwieweit hier Chancen oder Risiken für das eigene Geschäft entstehen, wenn die Geschäftsmodelle zum Mainstream werden.

Know-how zügig aufbauen, mehr wagen

Die Entwicklungen im vergangenen Jahr haben die Bedeutung verschiedener Kryptothemen für Banken massiv erhöht. Und das Tempo ist fulminant: Spätestens in zehn Jahren wird die Bankenwelt deutlich anders aussehen als heute. Viele neue Geschäftsmodelle werden durch die Blockchain-Technologie möglich sein, was schon heute das Interesse von Neo-Banken oder großen Tech-Playern weckt. Sicherlich gilt es, keine Schnellschüsse zu setzen – dennoch darf auf Basis fundierter strategischer Überlegungen durchaus das eine oder andere „gewagt“ werden, um Opportunitäten im Kryptobereich konkret auszuloten und Erfahrungen zu sammeln. Wichtig dafür ist, technisches und aufsichtsrechtliches Know-how zügig intern aufzubauen oder von extern hinzu zu ziehen, um zeitnah die ersten oder schon die nächsten Schritte gehen zu können.