Financial Education von offensiv zu defensiv

Der jüngste Absturz des Stablecoin-Systems Terra-Luna hat manche Anleger völlig überrascht. Mehr Wissen über Finanzinstrumente hätte manchen vor Verlusten bewahren können. Aufklärungsarbeit wird gefordert. Doch diese muss ihren Fokus wechseln: Statt offensiv-werbend wie bei anderen Anlagen steht bei Kryptos ein defensiv-warnendes Vorgehen im Vordergrund.

Binance-Gründer spricht sich für mehr „Education“ aus

Binance-Gründer Changpeng Zhao lieferte unlängst auf der Messe FinanceForward ein für einen Krypto-Gründer interessantes Statement: Es sei an der Zeit, Anleger besser zu „educaten.“ Sie sollten die Projekte hinter den Kryptowerten besser verstehen und nicht immer den höchsten Renditen hinterherjagen. Ein eher defensives Vorgehen also, das ausgerechnet von einem der Protagonisten des Kryptobooms verlangt wird? Abgesehen von den bemerkenswerten Aufklärungsinhalten, die Changpeng Zhao hier artikuliert hat, ist die Rolle der Financial Education, die in diesem Statement zum Ausdruck kommt, interessant:

Im vergangenen Jahrzehnt versuchten die damals gegründeten Robo-Advisors mittels Financial Education die Menschen zu animieren, Geld auf dem Kapitalmarkt anzulegen. Die Idee war, dass man den deutschen Aktienmuffeln nur erklären brauche, wie vernünftige, meist passive Geldanlage funktioniert, um sie dazu zu bringen, ihre vielen unverzinsten Milliarden von Spar- und Tagesgeldkonten in die Fondsdepots der Robo-Advisors zu transferieren.

Und so sehr das auch die Standard-Argumentation in den damaligen Pitchdecks war: In der Realität hat dies nie funktioniert. Die Metamorphose der deutschen Zinsjäger in Kapitalmarkt-Liebhaber haben trotz der jahrelangen Null- und Negativ-Zinsen erst die Neo-Broker mit dem Mix aus Einfachheit, Kostenlosigkeit und Gamifizierung erreicht. Inzwischen sind diese so weit gekommen, dass Jugendliche zum Teil lieber Aktien und Kryptos handeln als Spiele zocken. Kryptos wurden neben dem grundsätzlich spielerischen Ansatz auch durch das Narrativ spannend, dass man hier mit wenig Einsatz sehr viel Geld verdienen könne. Beglaubigt wurde das scheinbar durch die gefühlt vielen Krypto-Millionäre und -Milliardäre.

Doch angesichts volatiler Kryptomärkte und einer Unmenge an mehr oder weniger tragfähigen Konzepten, die ständig neu auf den Markt geworfen werden, ändert sich die Aufgabe der Financial Education um 180 Grad: Sie muss nicht mehr vom Kapital- oder Kryptomarkt überzeugen. ,Sie muss den Teilnehmer im Gegenteil davor bewahren, dort die falschen Dinge zu tun und sich um Kopf und Kragen zu spekulieren. Der Aufklärungsarbeit kommt eine neu defensiv-warnende, statt eine offensiv-werbende Rolle zu.

Doch wo lässt sich solche unaufgeregte Aufklärung erhalten? Waren schon die Robo-Advisor die falsche, weil interessenskonflikt-belastete Quelle für Financial Education, gilt dies heute auch für Krypto-Exchanges und andere Cyber-Protagonisten. Wenn Anleger tatsächlich nach seriöser, ausgeglichener Information in Sachen Kryptos suchen, stoßen sie auf einige Schwierigkeiten. Auf der einen Seite stehen die Krypto-Fanboys, die das Hohelied der Dezentralität singen. Auf der anderen Seite bewegen sich die Krypto-Kassandras, die das Ganze für grundsätzlich wertlos halten, wie etwa gerade wieder EZB-Chefin Christine Lagarde. Dazu kommen die vielen, zum Teil dubiosen Krypto-Influencer, die über YouTube, Twitter, Telegram und andere Social-Media-Kanäle für meist schräge Projekte werben.

Hohe Renditeversprechen sind Stoppschilder

Erste Adresse für Informationen in Sachen Krypto und Aktien gleichermaßen sollten für Retail-Anleger die etablierten Medien der Wirtschafts- und Anleger-Presse sein. In der Regel nehmen diese eine abwägend-erklärende, qualitätsgesicherte Haltung ein. Wenn Anleger über bestimmte Kryptowerte keine unabhängigen, fundierten Informationen außerhalb der Krypto-Echokammern finden, sollten sie die Finger davon lassen. Hohe Renditeversprechungen sollte immer eher eine Warnung als eine Versuchung verstanden werden.