Für Fintech 2018 lassen sich ganz klar die zwei technischen Innovationsarenen KI und Blockchain ausmachen. Es gibt bereits Tonnen von Beiträgen, die die Auswirkungen beider Technologien untersuchen. In diesem Beitrag geht es weniger um technische Innovations- eher, um ausgewählte Fintech-Wettbewerbsarenen, die 2018 wichtig werden (und zum großen Teil auch 2017 schon wichtig waren).
Challenger-Banken challengen sich gegenseitig
Im Banking fesseln gerade zwei Wettbewerbe: Das schon fortgeschrittenere europäische Rennen der Challenger-Banken und den entstehenden Wettstreit der Freelancer- und Small-Business-Banken.
Die Challenger-Banken Monzo, Revolut und N26 streiten mit differenzierten Angeboten um die europäische Marktführerschaft in ihrem Segment. Während N26 künftige Premium-Kunden mit einer Metall-Kreditkarte lockt, versucht Revolut bei Weltenbummlern mit Multiwährungs- inklusive Cryptocurrency-Konten zu punkten; bei Monzo weiß man noch nicht recht, wo die Differenzierungsmerkmale liegen (ich mag ihren Techno-Blog, in dem sie schildern, warum sie wie ihr Core-Banking-System entwickelt haben).
Aus deutscher Sicht scheint N26 das erwachsenste Angebot zu haben, das auch Zielgruppen über (Fin-) Tech-Nerds oder Bitcoin-Enthusiasten hinaus anspricht. Hinzu kommen die solide deutsche Banklizenz und der fortgeschrittene Plattform-Ansatz mit der Integration von Partnerfirmen wie Clark, Vaamo oder TransferWise.
Allerdings sind auch die etablierten Banken in das Mobile-Banking-Rennen eingestiegen, hier seien nur die Deutsche Bank und ING-DiBa genannt, die mit eigenen Apps versuchen, neue Kunden zu gewinnen, aber vor allem ihre eigenen Kunden davon abzuhalten, in Richtung der Challenger-Banken abzuwandern.
SME- und Freelancer-Banken – Banking-Frontends mit Service-Bundles
Freelancer, kleinere Selbstständige und Unternehmen hatten es erstens bisher schwer, eine passende Bank inklusive Versorgung mit Kreditkarte zu finden, zweitens benötigen sie Zusatzservices für das Rechnungswesen, die Buchhaltung und/oder die Steuer. Auf Basis dieser Hypothese sind in Deutschland (zum Teil auch europaweit) gleich vier Fintech-Startups unterwegs: Holvi, Hufsy, Penta und Kontist. Keines von ihnen hat eine eigene Banklizenz, drei von ihnen werden von der gleichen Bank im Hintergrund unterstützt: Solaris.
Man darf gespannt sein, wer sich hier durchsetzt, und besonders, wie sich ein Wettbewerb gestaltet, wenn drei Wettbewerber zurzeit streng genommen das Frontend der gleichen Bank sind. Meine Sympathien gehören übrigens Kontist.
Banking für Nicht-Banken und Kontext Banking
Während alle danach schauen, was die GAFAs (Google, Amazon, Facebook, Apple) in Sachen Banking und Finanzen anstellen, haben in Deutschland die ersten kundenreichen, digitalen Unternehmen damit begonnen, Finanzdienstleistungen anzubieten: Die konkurrierenden Vergleichsportale Check24 und Verivox bieten die ersten Finanzprodukte an und machen sich durch Akquisitionen fit, um weitere Produkte und Services für Millionen von Kunden auszurollen. Die Mobilfunker von o2 und Orange (Frankreich) bieten Quasi-Banken an, hinter denen die Fidor respektive Wirecard Bank mit ihren Banklizenzen stehen.
Der Trend, dass Nicht-Banken mit der Hilfe von Banking-as-a-Service-Plattformen Finanzdienstleistungen anbieten, wird sich fortsetzen und zum reifen Kontext Banking weiterentwickeln. Banken- und Zahlungsprozesse werden sich als Microservices in Lebenskontexte und Geschäftsprozesse einbetten; als Hintergrundprozesse oder als Angebot, das direkt am Point of Demand zur Verfügung steht.
Schon länger haben Banken versucht, mit Lebensphasen-angepassten Angeboten Kunden anzuziehen. Jetzt wird klar, dass umgekehrt ein Schuh daraus wird: Banken können nicht darauf warten, dass die Kunden zu ihnen kommen, sie müssen bei den Kunden sein, wenn sie gebraucht werden.
Und natürlich schauen wir auch 2018 weiter auf die GAFAs und diskutieren, was wäre wenn … (Wir könnten an der Stelle auch den Erfolg diskutieren, den asiatische Tech-Companies mit Finanzdienstleistungen haben, aber auch das Phänomen wurde schon hinreichend erörtert.)
Robo-Advice – Wird zum Anlageservice von Banken oder zum B2B-Angbot
Robo-Advice als eine der ältesten und reifsten Fintech-Arenen zeigt wie unter einem Brennglas eine Entwicklung, die sich ähnlich auch auf anderen Feldern zeigt:
Robo-Advice oder die digitale Vermögensverwaltung wird sich als Finanzdienstleistung durchsetzen. Nur haben die ursprünglichen Robo-Advice-Startups wenig davon. Das Rennen scheinen hier mit wenigen Ausnahmen die Banken machen. Die Robo-Advisor, denen es bisher nicht gelungen ist, genügend Assets unter ihr Management zu bringen, haben sich bereits B2B-Strategien zugewandt, suchen Banken und größere Vermögensverwalter als Kunden und Partner. 2018 wird das Jahr der Banken- und B2B-Robo-Advisor.
Als selbstständige Endkunden-Unternehmen werden sich die Robo-Advisor durchsetzen, denen es mit einer eigenen Vermögensverwalter-Lizenz durch echte Beratung, Anlagephilosophie und Technologie gelingt, für Kunden einen echten Mehrwert im Vergleich zu den immer ähnlicher werdenden Banken- und Robo-Advice-1.0-Angeboten zu schaffen und zu verteidigen. Am ehesten sind zurzeit Scalable Capital und Liquid in der Position, wenn ich das richtig sehe. Scalable Capital ist bestens gefundet, mit einem uniquen dynamischen Anlageansatz und kundenstarken Partnern wie etwa ING-DiBa oder Siemens. Liquid positioniert sich klar als der digitale Vermögensverwalter für assetstarke Zielgruppen.
Fintech-Gründungen: Tech und Regulierung als Kern
Welche Art von Fintechs lassen sich 2018 noch erfolgversprechend starten und was müssen ihre Gründer leisten? KI, Blockchain und PSD2 schaffen auf der einen Seite neue Potenziale für Startups, machen ihre Gründung auf der anderen Seite technologisch und regulativ anspruchsvoller. Fintech-Gründungen, die lediglich darauf zielen, die Customer Experience mit mobilen Frontends zu steigern, wird es nur noch selten geben.
2018 muss es bei Fintech-Gründungen darum gehen, Kundenprobleme durch Technik und eleganten, aber strengen Umgang mit Regulierung zu lösen und damit echte Mehrwerte über die reine Customer Experience hinaus zu liefern (bzw. dies zum zentralen Kern der Customer Experience zu machen). Tiefes technologisches und regulatives Know-how in Verbindung mit genauen Kenntnissen über die Ineffizienzen im Finanzdienstleistungssektor sind deshalb Grundvoraussetzungen für erfolgreiche Fintech-Gründungen. Gründer müssen deshalb noch mehr als bisher Branchen- und Technologien-Expertise vereinen, Quereinsteiger werden es schwerer haben.
Fintech-Banken zwischen Banking-as-a-Service-Plattform und Open Banking
Dass wir inzwischen vom Fintech vs. Banken zum Fintech w/t Banken gekommen sind, ist bekannt. Interessant sind die inzwischen ausdifferenzierten Kooperationskonstellationen und Geschäftsmodelle, die dabei entstanden sind und 2018 weiter ausgebaut werden.
Für eine Reihe von Banken gehört die Kooperation mit Fintechs und digitalen Unternehmen zum Kern ihres Geschäftsmodells. Das gilt in Reinform für die Solaris Bank, zu mehr oder weniger großen Teilen für Sutor Bank, Wirecard Bank, Fidor Bank und die Fintech Group Bank. Hinzu kommen Banken, die innerhalb ihrer bisherigen Geschäftsmodelle systematisch mit Fintechs zusammenarbeiten, wie etwa die Baader Bank mit Anlage-Startups. Auch innerhalb der „Fintech-Banken“ differenzieren sich die Banking-as-a-Service-Geschäftsmodelle und Positionierungen aus: Setzt die Solaris Bank etwa auf Standardprozesse, mit denen möglichst viele Partner versorgt werden können – deshalb hat man gleich drei Freelancer-Banken angedockt –, setzt Sutor Bank auf die Zusammenarbeit mit Partnern mit uniquen Geschäftsmodellen, die jeweils individuell integriert werden. Die Skalierung funktioniert dort in erster Linie über die standardisierten Prozesse, hier über Skalierung der Partner.
Eine im nächsten Jahr wichtiger werdende Kooperationsform lässt sich unter Open Banking zusammenfassen, stark getrieben durch die PSD2, die Banken zur Offenheit verpflichtet. Im Open Banking öffnen Banken ihre Infrastruktur über APIs, damit Fintechs als Kontoinformationsdienste oder Zahlungsauslösedienste auf Anwendungen entwickeln können, die mit den Konten der Kunden kommunizieren. Einige Banken, wie etwa die Deutsche Bank, gehen über die gesetzlich geforderte API-Öffnung ihrer Systeme gemäß der PSD2 hinaus und bieten Partnern Entwicklungsframeworks für die App-Entwicklung auf ihren Systemen.
Neben diesen systematischen Ansätzen integrieren Banken zunehmend die von Fintechs einst für das eigene B2C-Geschäft entwickelten Geschäftsmodelle. In voller Blüte sind diese Art von Kooperationen zurzeit im Robo-Advice-Bereich. Dort werden die Robo-Advisor zum Teil End-to-End inklusive der Bank, mit der das Robo-Advice-Angebot zuerst aufgebaut wurde, angedockt. Die integrierende Bank erspart sich damit die mühsamen Schnittstellen-Entwicklungen zwischen dem Fintech-System und der eigenen Depot-Management-Software.
Wo ist die Plattform-Bank?
Eine der spannendsten Fintech-Fragen bleibt, welches Unternehmen die Bankenplattform im engeren Plattform-ökonomischen Sinne bauen wird; also eine „Asset-lose“ Bank, die Konsumenten mit Produzenten verbindet, die zwar Finanzprodukte anbieten, aber nicht selbst Banken sein müssen.
Traditionelle Banken sind eher nicht die Kandidaten dafür, obwohl sie das Henne-Ei-Problem von Plattformmodellen bereits gelöst haben: Sie haben genug Kunden. Aber ihr Geschäfts- und Erlösmodell erfordert, dass sie diesen Kunden ihre eigenen Produkte und Services anbieten.
Abgesehen von dezidierten Neugründungen, die durch die Notwendigkeit einer Banklizenz erschwert werden, und flexiblen Digitalbanken sind die Vergleichsportale in der besten Ausgangsposition, um Bankenplattformen zu bauen. Sie haben bereits die Kunden und die Produzenten an Bord, die für eine Plattform benötigt werden. Schon heute übernehmen sie für die Anbieter auf den Vergleichsplattformen Teilprozesse der Leistungserstellung, etwa das Onboarding und Scoring von Kunden. Mit einer eigenen Banklizenz, die auch Produzenten ohne eigene Banklizenz nutzen können, könnte das Plattform-Ökosystem wesentlich erweitert werden.
Fintech 2018 zusammengefasst
Generell schließe ich mich der Definition von Pascal Bouvier an, Fintech is the act of optimizing or disrupting the financial services industry, und frage mich, für welche Unternehmen das Optimieren und Disrupten gefährlich wird. DIE Banken werden nicht verschwinden, wie auch viele andere Incumbents nicht verschwinden werden, aber einige, vielleicht auch mehr als einige, werden verschwinden, ebenso wie einige Fintech-Gründungen. Fintech im Sinne von Pascal Bouvier wird – wie die Digitalisierung in anderen Bereichen auch – alle nur mittelexzellenten Unternehmen gefährden, ob dies Banken oder Fintechs sind. Veraltete Geschäftsmodelle, technologische Schläfrigkeit, Schludrigkeit beim Talent-Sourcing, fehlende Agilität etc. – werden in exponentiellen Zeiten schneller bestraft als bisher. Das wird Fintech 2018 noch klarer zeigen als bisher.